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13/05/2016
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Der Deutsche StiftungsTag fand in diesem Jahr vom 11. bis 13. Mai in Leipzig statt. Unter dem Motto "Älter - bunter - anders: Demografischer Wandel und Stiftungen" trafen sich rund 1800 Stifter, Vorstände und Mitarbeiter sowie Multiplikatoren zum gemeinsamen Austausch.

Die Veränderung von Familienstrukturen steht in engem Zusammenhang zum Thema des Deutschen StiftungsTages 2016.
Der Wandel der Familie beeinflusst den demografischen Wandel und der demografische Wandel beeinflusst die Familie: Unsere Sozialsysteme, die für gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgen, ersetzten einerseits familiäre Leistungen, andererseits fußen sie auf der Familie, indem sie das Nachwachsen der zukünftigen Generation voraussetzen. Prof. Mario Rüdiger, Vorstandsvorsitzender der DSKN - Deutsche Stiftung Kranke Neugeborene, diskutierte unter der Moderation von Werner D´Inka, Herausgeber der Frankfurter Allgemeine Zeitung, mit Dr. Jürgen Borchert, Sozialrichter a.D., Anna Braam, Vorstand der Stiftung für die rechte zukünftiger Generationen und Dr. Reiner Klingholz, Geschäftsführender Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, über die Zukunft und die Perspektiven des Generationenvertrages und darüber, wo eine wirksame Familien- und Sozialpolitik ansetzen muss.

Lesen Sie das Kurzstatement von Prof. Rüdiger zu dieser Thematik:

Lieber Herr D‘Inka, sehr geehrte Damen und Herren,


als letzter Redner in dieser Runde und als Vorsitzender der DSKN ‐ Deutsche Stiftung Kranke Neugeborene möchte ich den Fokus der Diskussion auf die Neugeborenen richten, die als künftige Generation den Staffelstab des Generationenvertrages übernehmen müssen.
Aber wussten Sie, dass heute jedes 5. Neugeborene unmittelbar nach der Geburt medizinisch behandelt werden muss und 10 von 100 Kindern zu früh auf die Welt kommen. Daraus können Probleme resultieren, welche das gesunde Heranwachsen dieser Kinder beeinträchtigen, Probleme die zu einem großen Teil vermieden werden könnten.
An drei Beispielen möchte ich Ihnen diese Aussage nähern erläutern:
Ein Frühgeborenes ist ein Fetus, der außerhalb des Mutterleibes überleben muss. Viele langfristige Entwicklungsstörungen haben ihren Ursprung in diesen unphysiologischen Umgebungsbedingungen, ließen sich jedoch teilweise durch eine spezielle Stammzelltherapie vermeiden. Die für die Entwicklung eines Therapeutikums erforderlichen Kosten würden klassischerweise von Firmen übernommen werden, allerdings nur, wenn sich diese Ausgaben amortisieren. Da ca. 100 Frühgeborene behandeln werden müssten, um den Preis für eine klassische Erwachsenendosis erzielen zu können, scheint bei einem für Frühgeborene spezifischen Medikament ein return of investment eher unwahrscheinlich.
Ein zweites Beispiel ist die Erstversorgung eines Kindes mit 500 Gramm Geburtsgewicht. Diese setzt sehr spezifisches Können und Erfahrung voraus, die erworben werden müssen; ein „Trockentraining“ ist nicht möglich. Durch das videogestützte Aufzeichnen von Erstversorgungen und das anschließende strukturierte Auswerten kann die Versorgung nachgewiesenermaßen deutlich verbessert und das Auftreten von Komplikationen vermieden werden. Das Projekt wurde durch das Deutsche Bündnis für Patientensicherheit ausgezeichnet. Krankenkassen verweigerten sich einer Finanzierung der technischen Ausstattung mit dem Hinweis darauf, dass dieses Gebiet mit hohen Haftungsrisiken verbunden wäre…
Um Ihnen abschließend auch ein – zumindest teilweise – positives Beispiel demonstrieren zu können, möchte ich kurz auf die Möglichkeit einer spezifischen Unterstützung von Eltern eingehen. Eltern von Frühgeborenen sind häufig übervorsichtig und möchten daher ihre Kinder beschützen. Wenn ein Kind laufen lernen will, muss es hinfallen dürfen – wenn Eltern es davor bewahren, lernt es nicht laufen. Gezielte Interventionen können das Selbstvertrauen der Eltern stärken und damit diese Überprotektion verhindern, was langfristig eine positive Auswirkung auf die kindliche Entwicklung hat. Allerdings wurden diese Interventionen noch nie komplett in einer Klinik eingeführt, dazu fehlte das Geld. Weil damit der Beweis der Umsetzung nicht erbracht werden konnte, weigerten sich die Kostenträger, dieses Projekt zu finanzieren – Sie erkennen den Teufelskreis?! Durch Stiftungsgelder konnte ein entsprechendes Projekt etabliert, die Wirksamkeit nachgewiesen und sogar gezeigt werden, dass Krankenkassen damit Geld sparen. Eine Klinik bekommt daraufhin dieses Projekt finanziert, die geltenden Regelungen des Sozialgesetzbuches verhindern derzeit aber noch eine flächendeckende Finanzierung und damit Einführung in die Versorgungsroutine.
Wie Herr Borchert in einem Vortrag betonte, ist jedes Individuum am Anfang und häufig auch am Ende des Lebens von anderen abhängig. Während uns, d.h. den Entscheidungsträgern, diese Abhängigkeit am Ende des Lebens sehr bewusst ist und motiviert, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen, fehlt häufig ein persönlicher Zugang zu dieser Abhängigkeit am Lebensanfang. Wer aber einmal 500 Gramm geballten Lebenswillen in der Hand gehalten und zugeschaut hat, wie sich daraus die nächste Generation entwickelt, fragt sich nicht mehr, wer der Unterstützung unserer Gesellschaft bedarf – einer Unterstützung, die in einem modifizierten Generationenvertrag fixiert werden sollte.


Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.